geschrieben von N. Zwanzig am 13.03.2015
Als Exklusivtitel für die Playstation 4 soll das von Ready
at Dawn entwickelte The Order: 1886 ein Kaufgrund für die Konsole von Sony
sein. Eines ist sicher: Grafisch ist das Spiel absolute Referenz im Next
Gen-Bereich und bietet ein extrem interessantes Setting. Warum es dennoch nicht
zum Hit gereicht hat? Das erfahrt ihr in unserem Test.
Ein zweischneidiges Schwert
Je länger man The Order: 1886 spielt, desto mehr offenbart
sich der große innere Konflikt des Titels: Einerseits ist man immer wieder
verblüfft von der grandiosen Optik des viktorianischen London im
Steampunk-Szenario, andererseits vermisst man echte Stärken und Innovation im Gameplay.
Wir schlüpfen in die Rolle von Sir Galahad, Ritter des
titelgebenden Ordens der Tafelrunde des legendären König Artus. Dieser hat es
sich zur Aufgabe gemacht, die Menschheit vor dem übernatürlichen Bösen zu
bewahren, das immer wieder über die Welt hereinbricht. Unterstützt wird
Galahad, der den bürgerlichen Namen Grayson trägt, von einer Gruppe anderer
Ordensritter. Leider sind die Charaktere allesamt reichlich klischeehaft
geraten.
Sir Percival, Freund und Mentor des Protagonisten, ist ein
typischer Veteran und Vertreter der alten Schule mit unerschütterlicher
Überzeugung. Galahads Schülerin Lady Igraine ist als jüngstes Mitglied des
Ordens der typische Neuling und will durch ihren Tatendrang überzeugen. Der
Anwärter Marquis de Lafayette, offensichtlich Franzose, mimt den Charmeur und
bemüht sich um humoristische Einlagen. Galahad selbst ist der erfahrene
Krieger, der wenig redet und dem Orden stets treu ergeben ist. Ein wenig mehr
Liebe zum Detail und mehr Charaktertiefe hätten The Order wirklich gut getan,
da man im Verlauf der Geschichte nur wenig bis keine Sympathien mit den einzelnen
Akteuren aufbaut.
Größter Pluspunkt von The Order: 1886 ist die wirklich
famose Grafik. Die alternative Version Londons im späten 19. Jahrhundert glänzt
durch extrem scharfe und detailreiche Texturen gepaart mit schönen
Lichteffekten, die die Power der PS 4 eindrucksvoll zur Schau stellen. Auch die
Charaktermodelle sind wunderbar designt und immer wieder entdeckt man kleine
Feinheiten. Manchmal bleibt man einfach kurz stehen, um sich umzuschauen und zu
genießen, was nicht wirklich viele Titel schaffen. Einziges Manko ist die
fehlende Stadtbevölkerung, was die Straßen ziemlich leblos erscheinen lässt.
Außer Gegnern trefft ihr nur eine handvoll Bürger auf eurem Weg durch London.
Ist da noch mehr drin?
Über die Qualität eines Spiels entscheidend letztendlich
immer die Spielbarkeit eines Titels und gerade dies ist der entscheidende
Stolperstein für The Order: 1886. Die sechzehn Kapitel sind stark durch (teils
opulente) Zwischensequenzen gestreckt oder ihr erlebt Abschnitte, in denen ihr
damit beschäftigt seid, lediglich zu laufen, während ihr den Dialogen der
Charaktere lauscht. Möglichkeiten zum freien Erkunden der Umgebung bieten sich
so gut wie nie. The Order ist strikt linear und bedient sich der typischen
Deckungs-Shooter-Mechanik, wenn es zum Schussgefecht kommt - und das kommt es
fast immer.
Ducken, Schießen, zur nächsten Deckung sprinten, Ducken,
Schießen und weiter. So sieht nahezu jede Konfrontation mit dem Feind aus. Dies
wird schnell langweilig und zusätzlich durch die zwei schwarzen Balken
erschwert, die für cineastisches Feeling sorgen sollen, euch aber gleichzeitig
die Sicht nehmen. Zwischendurch verbringt ihr eure Zeit damit, Informationen zu
sammeln, in dem ihr verstreute Dokumente aufhebt und anschaut, was auf Dauer
ziemlich nervig wird, da es deutlich cleverere Wege gibt, Hintergrundinfos zu
vermitteln.
Der exzessive Gebrauch von Quicktime-Events schmälert den
Spielspaß von The Order:1886 deutlich. Egal ob das Betätigen einer Seilwinde
oder das Verschieben eines Schrankes, das Einnehmen eines Heiltrankes oder ein
Nahkampf mit dem Gegner - alles wird mit "Knöpfehämmern zur rechten
Zeit" geregelt. Das mag damals bei Resident Evil 4 noch innovativ und
spannend gewesen sein, aber 2015 wirkt das einfach nicht mehr zeitgemäß.
Insgesamt fühlt sich das Spielerlebnis wenig interaktiv an, weil man stets aufgefordert wird, irgendetwas zu
berühren oder sich irgendwo hin zu bewegen, um voranzukommen.
Nach acht Stunden war der erste Durchlauf auch schon vorbei
und dabei wird es wohl auch bleiben. Das ist für einen Vollpreis-Titel einfach
zu wenig, zumal es eine reine Singleplayer-Erfahrung ist und es außer der Story
keine weiteren Modi gibt. Aufgrund der angesprochenen Mängel lädt The
Order:1886 leider nicht zum mehrmaligen Durchspielen ein, wenn man einmal die
dunklen Machenschaften der East India Company durchkreuzt und den
enttäuschenden Endkampf hinter sich gebracht hat. Einige Handlungsstränge
werden abrupt fallengelassen und viele Fragen bleiben unbeantwortet - das
riecht nach einer Fortsetzung.
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